„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren. […] Gerade deshalb müssen wir verstehen, dass es Versöhnung ohne Erinnerung gar nicht geben kann.“
(Richard von Weizsäcker, Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa, 8. Mai 1985)

„Die historische Leistung der Versöhnung der Völker nach dem Ende des 2. Weltkrieges ist ein unveräußerlicher Bestandteil des Katalogs der europäischen Werte.“
(Dr. Helmut Domke 2019)

Unfassbar und unerwartet für uns alle ist unser langjähriger Vorstandsvorsitzender und Ehrenvorsitzender der Stiftung Dr. Helmut Domke am 16. Mai 2021 kurz vor Vollendung seines 78. Lebensjahres verstorben. Dieser plötzliche Tod macht uns zutiefst betroffen. Noch am 11. Mai kommunizierten wir zur bevorstehenden Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz in Kaluga, auf der wir eine eigene Arbeitsgruppe „Der 22. Juni 1941 / 2021 ist ein europäisches Datum“ organisieren, die Herr Dr. Domke sehr am Herzen lag. Auch hatte er gerade angeregt, gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher West-Ost-Gesellschaften einen Aufruf zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion zu verfassen.

Im Jahr der Errichtung der neuen privatrechtlichen Stiftung West-Östliche Begegnungen 1994 wurde Herr Dr. Domke als unabhängiger Experte ins Kuratorium der Stiftung berufen und damit Kuratoriumsmitglied der ersten Stunde. Im Jahr 2004 wurde er Vorsitzender des Vorstands und hat in den 13 Jahren seiner Amtsausführung mindestens 40 Vorstandssitzungen vorbereitet und geleitet, Verwaltungsentscheidungen getroffen, Stiftungsprojekte entscheidend mitkonzipiert, Texte lektoriert und an unzähligen Veranstaltungen und Konferenzen im Bereich der west-östlichen Zusammenarbeit teilgenommen oder diese mitgestaltet.

In die Arbeit als Vorsitzender des Vorstands brachte Herr Dr. Domke ein großes Netzwerk von Kontakten zu Personen aus Politik und Zivilgesellschaft ein, durch das der Stiftung Zugänge zu wichtigen Institutionen der west-östlichen Zusammenarbeit möglich wurden und sie in ihre Rolle als zivilgesellschaftliche Akteurin hineinwachsen konnte.

Neben seinem ehrenamtlichen Engagement in der Leitung der Stiftung hat sich Herr Dr. Domke seit 2015 der „Erinnerungskultur im Dialog von Ost und West“ verschrieben und in unserer Stiftung zunehmend ein Gesicht gegeben. Er hat unermüdlich dafür gewirkt, das Thema insbesondere auf deutsch-russischen und deutsch-belarussischen Städtepartnerkonferenzen – aber auch zuletzt im Jahr 2020 auf dem Petersburger Dialog – erfahrbar zu machen.

2019 hat Herr Dr. Domke eine Konferenz mit renommierten Partnern zum 25. Jahrestag des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte und zur Sicherheit in Europa initiiert und organisiert. Sie wurde Teil der Gesamtveranstaltung, mit der die Stiftung im September d. J. zum 25. Jahrestag ihrer Errichtung in der Landesvertretung von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in Berlin einen besonderen Akzent für Frieden und Völkerverständigung setzen konnte. Herr Dr. Domke referierte selbst als Zeitzeuge der gesellschaftlichen Umbrüche zum Thema „Das Moment der Vertrauensbildung im Vorfeld und im Verlauf des Abzugs der Westgruppe der Truppen“. Denn er war von 1990 – 1994 Bevollmächtigter des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe für Fragen des Abzugs der sowjetischen/russischen Streitkräfte (Westgruppe der Truppen/WGT) und für Konversion zuständig. .

Die Zusammenarbeit mit Manfred Stolpe war ihm auch nach dem Ende von dessen aktiver Zeit als Ministerpräsident des Landes Brandenburg sehr wichtig. So begleitete er ihn einige Jahre zu den Beratungen des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs und ebnete der Stiftung damit den Weg in die eigene Mitgliedschaft im Petersburger Dialog.

Führende Offiziere der ehemaligen sowjetischen Streitkräfte, mit denen Herr Dr. Domke zum Abzug der WGT verhandelt hatte, blieben ihm nach 1994 weiterhin Partner für Dialog und Austausch. Auf seine Initiative hin hat die Stiftung mehrere Jahre zum 8./9. Mai mit Unterstützung der Russischen Botschaft und der in der Stiftung verankerten ostdeutschen Freundschaftsgesellschaften Vertreter des Verbandes der Veteranen der WGT nach Berlin und in weitere Orte der früheren Stationierung sowjetischer Streitkräfte eingeladen, um gemeinsam der Tage der Befreiung von Faschismus und des Sieges 1945 zu gedenken und die historische Leistung zu würdigen.

2017 beriefen ihn Vorstand und Kuratorium zum Ehrenvorsitzenden der Stiftung, der er bis zuletzt war.
Insgesamt war Herr Dr. Domke 27 Jahre in der Stiftung aktiv und hat sie entscheidend geprägt, Zugänge in Politik und Gesellschaft eröffnet und die Stiftung zu einer aktiven Akteurin für Frieden und Völkerverständigung besonders mit jenen Ländern der früheren Sowjetunion gemacht, die am meisten unter dem von Hitlerdeutschland entfesselten 2. Weltkrieg gelitten haben.

Als Person der Zeitgeschichte hat Herr Dr. Domke Geschichte geschrieben und gelebt, sich vehement für die west-östliche Zusammenarbeit eingesetzt und ist wider alle politischen und medialen Hindernisse unnachgiebig seinem Ziel gefolgt. Auch seine Verankerung im christlichen Glauben ließ für ihn den Gedanken der historischen Versöhnung, der Humanität und Menschlichkeit zur prägenden Motivation werden, sich für zwischenstaatliches und zivilgesellschaftliches Verstehen im Dialog, für den Wechsel der Perspektiven und Partnerschaft auf Augenhöhe einzusetzen. „Nie wieder Krieg“ und insbesondere „Frieden mit Russland“ galt sein Engagement. Dies war ihm Herzenssache und ist sein Vermächtnis an die Stiftung.

Wir werden Herrn Dr. Domke in großer Dankbarkeit in Erinnerung behalten, so, wie wir ihn über die langen Jahre im Vorstand, im Kuratorium, in der Arbeit mit der Geschäftsstelle und in den vielen mitgestalteten Stiftungsprojekten erlebt haben: weitsichtig engagiert, konzeptionell stark, diplomatisch überlegt, würdigend für Vergangenes, offen für Neues und sich bei allen Verdiensten immer bescheiden zurücknehmend. Seine Ideen haben überzeugt, seine sehr freundliche, liebenswerte und auch mit einer Prise spitzfindigem Humor versehene Art hat Türen und unsere Herzen geöffnet. Das hat die Zusammenarbeit in der Stiftung nicht nur vorangebracht, sondern auch sehr partnerschaftlich, wertschätzend und angenehm gemacht.

Nun ist Herr Dr. Domke als zentraler Akteur der Stiftung viel zu früh von uns gegangen……

In tiefer Trauer und in dankbarer Hochachtung und Erinnerung

Vorstand, Kuratorium und Geschäftsstelle der Stiftung West-Östliche Begegnungen

Berlin, den 2. Juni 2021